Eigentlich schwebte mir schon lange eine Fahrt entlang des Rhein-Marne-Kanals vor. Die Ideen waren vielfältig, eine "Tour de Jumelage", Nancy ist die französische Partnerstadt von Karlsruhe und bei einer Tour de France gab es einmal eine Etappe von Nancy nach Karlsruhe. Die französische Partnerstadt von Ettlingen liegt etwas weiter westlich, es ist Epernay und wenn man schon bis dorthin gefahren ist, ist Paris auch nicht mehr weit.
Dann stieß ich auf den Link des Paneuroparadwegs und bei näherer Betrachtung stellte ich fest, dass der Radweg durch Ettlingen führte und in seinem Verlauf mit meiner geplanten Tour entlang des Rhein-Marne Kanals identisch war. Jetzt war es beschlossene Sache: Start in Ettlingen, Paneuroparadweg, Ziel Nancy, zumindest für den Anfang.
Ettlingen liegt etwa auf der Hälfte des Radwegs, wenn ich irgendwann einmal in Paris angekommen bin, dann werde ich den Weg in Richtung Osten nach Prag in Angriff nehmen.
Ok, aus dem Start in Ettlingen wurde nichts, ich beschloss die erste Etappe bis Kehl auszulassen, weil wie immer verschiedene Faktoren dazu zwangen, die Prioritäten zu ändern. Bis Kehl bin ich schon geradelt, es ist allerdings schon ein paar Jahre her und die Priorität lag jetzt auf der Erkundung der französischen Seite des Radwegs.
Der IRE von Karlsruhe nach Konstanz hatte schon viele Radler an Bord, als ich am Bahnsteig ankam. Einige wollten nach Donaueschingen zum Startpunkt der Donautour, einige wollten in Offenburg umsteigen und weiter in Richtung Basel, ich wollte in Appenweier aussteigen, es war der kürzeste Weg nach Kehl, auf einen Anschlusszug hätte ich fast eine Stunde warten müssen, in der Zeit kann man auch nach Kehl radeln.
Es war eine logistische Leistung, bis ich mein Fahrrad aus dem vollbeladenen Fahrradateil herausgebracht hatte, aber jetzt ging es los.
Der Garten der 2 Ufer oder "Jardin des 2 rives" wurde anlässlich der Landesgartenschau in Kehl vor einigen Jahren angelegt mit einer schön geschwungenen Brücke über den Rhein.
Strasbourg ist anscheinend radfahrbegeistert! Die Radwege sind vielfältig und gut ausgeschildert, teilweise sind sie in die Linienführung der neuen Tram mit eingebunden, es war also kein Problem, in die Innenstadt zu gelangen
Im Tourist-I neben dem Münster fragte ich, wie ich am besten zum Rhein-Marne-Kanal käme und die freundliche Dame gab mir einen Radwegeplan von Strasbourg mit, mit dem man sich bestens orientieren konnte. Er hiess "Guide, tout savoir sur le velo", falls jemand so etwas braucht, bitte danach fragen.
Mein Weg führte mich am Europaparlament vorbei, glücklicherweise war gerade keine Sitzung, sonst wäre wohl alles rundherum abgesperrt gewesen.
Der Treidelpfad entlang des Rhein-Marne-Kanals war gut ausgebaut und der Radweg gut ausgeschildert. Tourenradler waren so gut wie keine unterwegs, allerdings benutzten viele Einheimische den Weg als Trainingsstrecke, viele Rennradler sind mit begegnet.
Wie immer, plante ich meine Radtouren an den heissesten Tagen des Jahres, nach dem Motto: "6 Liter Flüssigkeit auf 100 km", so war es auch in diesem Jahr wieder.
Bei Vendenheim machte ich Mittagspause und als ich an Hochfelden vorbeikam, waren meine Getränkevorräte erschöpft, so dass ich in den Ort abbog und mich in einem Supermarkt versorgte.
Auf einem Schild am Ortsausgang von Strasbourg konnte ich ablesen, dass es bis nach Saverne nur 42 km auf dem Treidelpfad waren, das hat mich überrascht, ich hatte mit mehr gerechnet.
So erreichte ich etwa um 16 Uhr den Hafen von Saverne und die Schleuse mit dem höchsten Hub, die ich heute gesehen habe, mitten in der Stadt.
Industriell wird der Kanal nicht mehr genutzt, es stehen nur hin und wieder zum Hausboot umgebaute Lastkähne am Ufer, wo der Kanal etwas breiter ist. Teilweise sind die Boote sehr liebevoll umgebaut worden, teilweise sehen sie auch ziemlich vergammelt aus. Es gibt viele Freizeitkapitäne auf Zeit, die sich ein Boot gemietet haben, um damit auf dem Kanal zu fahren. In Saverne war eine grosse Vermietstation, von hier in Richtung Westen ist auch das schönste Stück des Kanals, welches ich morgen in Angriff nehmen werde.
Ich fragte in der Tourist-I nach dem Weg zum Campingplatz und der Anstieg dorthin war meine heutige Bergwertung. Der Platz war sehr gepflegt, lag aber oberhalb der Stadt in Richtung Chateau de Haut-Barr. Der Campingplatzwart war offensichtlich ein Holländer, entsprechend viele Landsleute waren zu Gast. Ich zahlte 7,40 EUR für die Nacht, für einen abendlichen Abstecher in die Stadt fehlte mir die Motivation, der Campingplatzwart verkaufte auch Getränke, so dass ich meinen ersten Tag bei einem Bier gemütlich ausklingen liess.
Ich hatte total verpennt! Ich bin erst um 8 Uhr aufgewacht. Beim Campingplatzwart konnte man Croissants und Pain au chocolat zum Frühstück bestellen, ein zusätzlicher Luxus waren Bänke, die unter den Bäumen zur Verfügung standen, so dass man richtig gemütlich Frühstücken konnten. Ein wirklich toller Campingplatz.
Ein freundlicher französicher Nachbar wollte mir heisses Wasser für meinen Kaffee anbieten, aber ich machte ihm klar, dass ich meinen neuen Spirituskocher (Mini-Trangia) ausprobieren wollte.
Meine Spiritusflasche war undicht, vorsichtshalber hatte ich sie in eine Plastiktüte gepackt, so dass der Saft nicht in der Radtasche verteilt wurde. Eine spezielle Brennstoffflasche konnte ich mir vor meiner Radtour nicht mehr besorgen.
Aber der Kocher funktionierte einwandfrei, es dauerte nicht lange, da war mein Wasser heiss genug für den Kaffee.
Um halb 10 war ich endlich in der Stadt und kaufte mir in einem Supermakrt die Getränke für den Tag ein, bevor ich eines der grössten Highlights des Kanals besichtigen wollte: das Schiffshebewerk bei Arzviller.
In Lutzelbourg kam ich an einer Patisserie vorbei, wo ich mich mit Essbarem versorgte, unter anderem einem Stück frischen Zwiebelkuchens. Etwas weiter war das erste imposante Bauwerk, ein Viadukt, dass die Bahnlinie über die Strasse und den Kanal führte.
kleiner geschichtlicher Exkurs, kann man im Detail in Wikipedia nachlesenDer Canal de la Marne au Rhin wurde 1853 fertigestellt und war bis 1979 der längste Kanal Frankreichs. Bei Arzviller überquert er die Vogesen-Wasserscheide zwischen Meurthe und Rhein. Dazu wurde eine Schleusentreppe von 17 Schleusen auf einer Länge von 4 km errichtet, mit engen Krümmungsradien die eine besondere Gefahrenstelle fü die Schifffahrt darstellten.
Deshalb wurde 1962 ein Wettbewerb ausgeschrieben, mit dem Ziel, die Schleusentreppe durch ein einziges Bauwerk zu ersetzen. Das Ergebnis, ein Schiffshebewerk mit Querförderung, wurde 1969 fertiggestellt und hatte damals experimentellen Charakter. Die Fahrtstrecke zwischen Nancy und Strasbourg wurde dadurch um einen Tag verkürzt
Der Eintritt zur Besichtigung kostete 4 EUR, es gab auch optionale Schiffstouren und andere Aktivitäten, die aber wegen Mittagspause für mich nicht zugänglich waren und auch extra gekostet hätten.
Bis Arzviller ging es kräftig bergauf, der Kanal verschwand hier in einem Tunnel, den man von der Strasse nicht zu sehen bekam. Überhaupt endete hier der gut ausgebaute Treidelpfad, die weitere Strecke führte teils über angelegte Radwege, teils über die Departementstraßen.
Hin und wieder fand ich Aufkleber "vers la mer", ich dachte, die Initiative von Maia und Joel Henry würde sich nur um den Weg von Strasbourg zum Mittelmeer kümmern. Was ich vermisste, waren Hinweise auf den Paneuropa-Radweg! Die vollmundige Ankündigung, der Weg sei komplett ausgeschildert kann man so nicht stehen lassen. Über weite Teile gab es in Frankreich gar keinen ausgewiesenen Radweg, ok, die Departementstraßen sind angenehm zu fahren, wenig Verkehr und ziemlich geradlinig, aber mit viel Auf und Ab, was doch etwas schlaucht. Irgendwo verzettelte ich mich,
verfuhr mich, so dass ich wieder zurück musste. In einem Radreisebericht hatte ich gelesen, dass die Franzosen anscheinend Spass daran haben, beim Strassenbau Talsohlen extra auszubaggern und den Aushub auf den Kuppen aufzuhäufen, damit die Täler extra tief und die Kuppen extra hoch sind. Diese Gefühl hatte ich heute auch. Dazu kam noch die Hitze, so dass ich in Gondrexange auf einem schön gelegenen Campingplatz an einem Etang, einem See, der die Kanäle mit Wasser versorgt, mein Zelt aufstellte.
Auf diesem Campingplatz bestimmten Dauercamper das Bild, ich sah auch einige Wohnwagen aus dem Saarland, die hier ihr Domizil aufgeschlagen hatten. Der Campingplatz selber hatte kein besonderes Niveau, die sanitären Einrichtungen waren eher dürftig
Immerhin befand sich im Dorf ein Tante-Emma-Laden, wo man sich mit dem Nötigsten versorgen konnte. Ich zahlte 7,95 EUR für die Nacht.
Heute sollte extrem heiß und schwül werden und für morgen waren schwere Gewitter und Regen vorausgesagt, ich würde also nicht im Zelt übernachten können.
Mal sehen, wie weit ich komme!
Ich stand schon um kurz nach 7 Uhr auf, bereitete den Kaffee auf meinem Mini-Trangia und war bereits um halb 9 unterwegs. Im Tante-Emma-Laden versorgte ich mich mit den Getränken für den Tag und dann ging es los. Aus der Beschreibung des Paneuropa-Radwegs hatte ich mir die Etappenziele herausgeschrieben und auf der Karte markiert, ich brauchte also nur der Straße zu folgen, die Treidelpfade erschienen mir für das Radfahren ungeeignet.
Leider ging es nicht direkt neben dem Kanal entlang, sondern immer wieder links und rechts daneben, durch viele Orte, die teilweise auch Häfen mit Vermietstationen für Boote hatten. Ab und zu wurde der Kanal überquert und in Maixe machte ich eine längere Mittagspause. Leider sind die Rastplätze mit Bänken in Frankreich nur sehr spärlich zu finden, vermutlich haben die Ortschaftsräte Angst vor Vandalismus.
Die D2 war die Strasse entlang des Kanals, die direkt nach Nancy führte. Anfangs war wenig Verkehr, aber je näher ich Nancy kam, desto dichter wurde er. In Varangeville am Kanal machte ich noch einmal Rast und sah von dort die Kathedrale von St. Nicolas de Port, die ich unbedingt besichtigen wollte.
Also wechselte ich hinüber auf die andere Seite des Kanals und ging in die beeindruckende Basilika. In ihr wird angeblich ein Finger des heiligen St. Nikolaus aufbewahrt und das ist Grund genug, um als Pilgerstätte bekannt zu werden. Die Basilika wurde in 15. Jahrhundert erbaut und 1980 grundlegend renoviert und zählt zu den schönsten spätgotischen Bauwerken Frankreichs.
Zurück in Varangeville folgte ich zunächst weiter der D2, bis eine Abzweigung über eine Nebenstraße nach Laneuveville führte. Ab dort führte ein ausgeschilderter Radweg in die Innenstadt von Nancy, entlang des Kanals.
Es war noch nicht so spät, eine zusätzliche Übernachtung in Nancy hätte mir nicht viel gebracht, so dass mein erster Weg zum Bahnhof führte. Ich erkundigte mich nach einem Zug mit Fahrradbeförderung nach Strasbourg und kaufte eine Fahrkarte für den Zug um 19:18 Uhr. Ich hatte also noch Zeit für eine kleine Stadtbesichtigung. Die Hitze erschwerte jedoch jede unnötige Aktivität, ich machte das obligatorische Zielfoto auf dem Place Stanislas, besorgte in einem Supermarkt Getränke für die Rückfahrt und den verbleibenden Nachmittag, fuhr ein wenig in der Innenstadt herum und verbrachte schließlich meine Zeit in einem schönen, schattigen Park hinter dem Place Stanislas.
Etwas mehr als eine Stunde brauchte der Zug von Nancy bis Strasbourg, eine Strecke, für die ich 3 Tage mit dem Fahrrad gebraucht hatte.
Dank meines Fahrradstadtplans von Strasbourg war es dann kein Problem, mit dem Fahrrad über die Grenze nach Kehl zu fahren. Am Bahnhof kaufte ich mir eine deutsche Fahrkarte nach Karlsruhe, in Appenweier hatte ich noch eine Stunde Aufenthalt und gegen 00:30 war ich zu Hause.
Radfahren in Frankreich hat Spaß gemacht, es war sicher nicht meine letzte Tour und das sind meine ersten Erfahrungen: Die Leute sind nett und freundlich, überall wird man gegrüßt, zumindest auf meiner Tour waren auch nicht die Unmengen von Radtouristen unterwegs, die mir in Deutschland begegnet sind.
An der Straße gab es oft Hinweischilder auf Supermärkte, allerdings muss man aufpassen, dass sie nicht irgendwo in einer Zone commercial versteckt sind, sondern sich noch im Innenstadtbereich befinden. Bäckereien verkaufen im allgemeinen auch Pizzastücke, Quiches und ähnliches, so dass man nicht verhungern und verdursten muss, jedenfalls hatte ich in Frankreich weniger Probleme an Flüssigkeit zu kommen, als in Deutschland.
Was ich vermisst habe sind schattige Rastplätze mit Bänken.