Es war der Wunsch meines 9-jährigen Sohnes Michael einmal eine mehrtägige Radtour zu unternehmen. Lust dazu hatte ich schon, vielleicht habe ich meinen Sohn ja auch ein bischen dazu überredet. Es sollte eine schöne Tour werden, nicht zu anstrengend und für den Anfang nicht zu lang. Weder ich noch mein Sohn hatten Erfahrungen mit dem Radreisen, früher, als wir noch keine Kinder hatten, sind wir immer mit dem Rucksack und zu Fuß unterwegs gewesen, mit Kindern sind wir mit dem Auto in Urlaub gefahren und das alte Fahrrad, mit dem ich immer zur Fachhochschule gefahren bin, wäre mit etwas mehr Gepäck zusammengebrochen.
Als die neue Fahrradwelle gerade losging und es die ersten Fahrräder mit Shimano-Gangschaltungen gab, kaufte ich mir ein sogenanntes Sportfahrrad mit einer Kettenschaltung, die immerhin schon 6 Gänge hatte. Natürlich waren Hochleistungsrennräder mit 12 Gängen bekannt, aber die eigneten sich nicht unbedingt für Fahrten auf unbefestigten Fahrradwegen abseits der Straßen.
Als mein Sohn seinen Wunsch äußerte, überlegte ich mir, wo man relativ ruhig in schöner Umgebung radeln konnte, ich informierte mich bei Bekannten, die schon den Westweg mit dem Fahrrad gefahren sind und in Buchläden, und man empfahl mir die klassische Strecke entlang der Donau. Der Sommer 1993 war in Süddeutschland ziemlich verregnet, wir konnten erst am Ende meines Urlaubs ein paar schöne Tage für die Radtour erwarten, denn im Regen radeln wollten wir auch nicht. Anfang August 1993 war es dann soweit: Wir wollten von Donaueschingen bis Sigmaringen fahren, vorbei an den berühmten Versinkungsstellen in Immendingen, vorbei an Kloster Beuron. Dieser Teil der Donautour gilt allgemein als einer der schönsten. Ganz bewußt wollte ich alle möglichen Übernachtungsformen ausprobieren: Eine Nacht im Zelt, eventuell eine Nacht im Gasthof und auf jeden Fall mindestens eine Nacht in einer Jugendherberge. (Schließlich bin ich seit meiner Jugend zahlendes Mitglied)
Für unsere Tour besorgten wir uns ein kleines, preiswertes Leichtzelt und Isoliermatten mit Schutzhüllen,preiswerte Fahrradtaschen von ALDI und EDUSCHO und billige Trinkflaschen mit Halter. Viel Geld wollten wir am Anfang für das Equipment nicht ausgeben, im Lauf der Jahre hat sich das etwas gewandelt. Mein Sohn fuhr ein 24-Zoll Fahrrad mit sehr niedriger Rahmenhöhe und immerhin 18 Gängen, während ich mit meinem 6-gängigen Sportrad unterwegs war.
In einem Vorabausflug besuchten wir die Bregquelle,
damit wir wirklich
den Ursprung der Donau kennengelernt hatten und einige Tage später
fuhr uns meine Frau mit dem Auto nach Donaueschingen.
Dort besichtigten wir die Quelle im Schlosspark und nach dem berühmten Spruch 'Brigach
und Breg bringen die Donau zuweg' radelten wir die ersten 5-6 km an der
frisch gebildeten Donau entlang zu einem völlig überfüllten
Campingplatz. Wir durften unser Zelt bei einem Dauercamper am Rand seines
Areals aufstellen: Es war ein komisches Gefühl, als meine Frau abends
mit meiner Tochter nach Hause fuhr und mich mit meinem Sohn alleine, auf
uns gestellt, dort zurückließ.
Was würden die nächsten Tage bringen? Würden wir es überhaupt schaffen? Was, wenn wir unterwegs eine Panne oder einen Unfall hätten?
Auf jeden Fall waren sehr viele Radler unterwegs, die Donautour war wirklich ein Klassiker. Auf dem Campingplatz wußten wir nicht so recht, was wir anstellen sollten, es gab kein Fernsehen, so wie daheim, es gab noch nicht einmal ein Radio, kein Licht, außer unserer Taschenlampe. OK, im Sommer war es lange hell, aber nachdem die Sonne untergegangen war, lagen wir auch schon in der Koje. Es war Sonntagabend und viele Wochenendcamper aus der Umgebung verließen nach und nach den Campingplatz, so dass nur noch die Urlauber und die Radfahrer übrig blieben. Der Platz lag an einem See, aber wir waren viel zu aufgeregt um die Möglichkeiten, die sich boten, ernsthaft zu erkunden. Die erste Nacht im Zelt war natürlich auch ungewohnt, so dass wir nicht besonders gut schliefen.
Zum Frühstück gab es nicht viel. Einen Kaffee aus dem Automat
und ein paar Croissants, aber trotzdem fuhren wir voller Optimismus los,
unterwegs kaufte ich mir eine Telefonkarte, damit ich notfalls nicht auf
Münzgeld angewiesen war, und in einer Bäckerei besorgte ich noch
ein paar belegte Brötchen für das zweite Frühstück.
Der Weg war eigentlich sehr schön, ruhig, kein Verkehr, es gab
nur hin und wieder Insekten, denen wir mit unseren kurzen Hosen relativ
schutzlos ausgeliefert waren. Die Donau hatte ziemlich viel Wasser, man
erzählte uns, dass es eine Stelle gab, an der man bei normalem Wasserstand
ohne Mühe trockenen Fußes hätte durchwaten können
indem man von einem Stein zum nächsten hüpfte, aber in diesem
Jahr war das nicht möglich. Die Versinkungsstellen bei Immendingen
waren wirklich beeindruckend, man sah die Fließrichtung der Donau
und an einer Stelle drehte das Wasser um und floß entgegen der Strömung
am Berg entlang, in dem es irgenwie verschwand.
Im Donautal gab es viele interessante Dinge zu sehen, die Burgen, die hoch oben an den Felsen klebten, romantische, kleine Städte und kuriose Brücken.
So fuhren wir bis Tuttlingen, dort wollten wir eigentlich in der Jugendherberge übernachten. Die Stadt war jedoch sehr laut und irgendwie unfreundlich, die Jugendherberge fanden wir auch nicht, es war sowieso erst Mittag, wir konnten also noch ein bischen weiter fahren. In Mühlheim beschlossen wir, in einem Gasthof zu übernachten.
Den Anstieg zur Ortsmitte machten wir über einen kleinen Fußweg. Die letzten 20 Meter konnte mein Sohn sein bepacktes Fahrrad nicht mehr schieben, so steil war es. Auch hier waren viele Radler unterwegs und alle Gasthöfe waren sehr schnell ausgebucht. Der Ort selbst war sehr romantisch, der Gasthof etwas abgetakelt, der Wirt war schon Rentner, seine Frau arbeitete noch irgendwo außerhalb. Der Wirt machte extra für uns ein Schnitzel mit Pommes Frites und Salat aus dem eigenen Garten und wir schliefen gut in unserem Doppelzimmer.
Am nächsten Morgen regnete es zuerst etwas, doch dann wurde es
schön.Unterwegs besichtigten wir das Kloster Beuron, wir stifteten
eine Kerze für die glückliche Reise, ein Akt, den wir immer im
Urlaub machten, wir besichtigten auch die kleinste, dreischiffige Kirche
nördlich der Alpen. Unterwegs, so gegen Mittag, wurden wir von einem
Gewitter überrascht. Glücklicherweise hielten wir gerade an einem
Biergarten.
Obwohl die ganze Strecke landschaftlich sehr schön war,
wir befanden uns im Naturpark Obere Donau, in dem jeder Autoverkehr untersagt
war und die Landschaft in ihrer Ursprünglichkeit bewahrt werden muss,
ging es doch immer bergauf und bergab und mein Sohn fing an zu maulen.
Nachmittags erreichten wir Sigmaringen. Dort wollten wir in der Jugendherberge
übernachten, aber um dorthin zu gelangen, mussten wir die Fahrräder
ca. 2 km den Berg hinauf schieben. In der Jugendherberge gab es genügend
Platz und nach dem anstrengenden Tag, einer erfrischenden Dusche und einem
guten Abendessen in einem Restaurant in der Nähe, schliefen wir auch
sehr gut. Die Nacht in der Jugendherberge war eine neue Erfahrung für
meinen Sohn und auch ungewöhnlich für mich, denn es war mein
erster Aufenthalt seit 15 Jahren.
Am nächsten Morgen mussten wir in der Küche beim Abtrocknen mithelfen und anschließend entließ man uns.
Wir wollten mit der Bahn zurück nach Donaueschingen fahren, wo
uns meine Frau wieder abholen wollte. Der Schalterbeamte in Sigmaringen
sagte uns, dass es keine Garantie gäbe, ob wir auch mitgenommen würden
oder nicht, denn die Entscheidung läge beim Zugschaffner. Da uns das
zu unsicher war, verzichteten wir auf die Bahnfahrt, benachrichtigten meine
Frau dass sie uns in Sigmaringen abholen sollte und besichtigten statt
dessen das Schloß, das auch sehr sehenswert war. (Besonders die Waffenkammer)
Die Erfahrungen der ersten Fahrradtour waren insgesamt sehr positiv. Obwohl sie sperrig ist und zusätzliches Gewicht bedeutet, würde ich auf die Campingausrüstung nicht verzichten. Unser Gepäck war eigentlich schon gegen Nässe geschützt, nur die Schlafsäcke in ihrer Standardhülle nicht. Ich beschloß, dafür irgendwann die bekannten Ortlieb-Schutzhüllen zu kaufen, denn ein trockener Schlafsack ist wichtiger als ein trockenes Zelt. Den Fahrradtransport per Bahn sollte man mit Vorbehalten in Betracht ziehen, denn anscheinend hat die Deutsche Bahn den radelnden Kunden noch nicht ernsthaft genug im Visier. Wenn man sich komplett vom Autotransport lösen will, hat man nur folgende Möglichkeiten: