Dortmund-Ems-Kanal 16.8.99 - 25.8.99
Vorgeschichte
Eigentlich wollte ich in diesem Jahr mit meinem Sohn Michael die große
Tour über den Splügenpass nach Italien machen. Wir hatten auch
schon etwas dafür trainiert. Da fand meine Frau eine befristete Stelle
in einem Unternehmen, dass in den Sommerferien seinen Hauptumsatz machte,
was besonders viel Arbeit bedeutete. Unsere Tochter wäre in der Zeit
den ganzen Tag auf sich alleine gestellt gewesen, während die Herren
in der Schweiz Halligalli gemacht hätten. Das fand meine Frau nicht
so gut, so dass wir umdisponieren mussten.
In einer Radzeitschrift las ich von einem Radweg, den man anläßlich
des 100-jährigen Bestehens des Dortmund-Ems-Kanals neu geschaffen
hatte und den wir als Alternative befahren wollten. Vom Fremdenverkehrsverein
in Meppen liessen wir uns Unterlagen und einen Radwanderführer von
der BVA schicken und begannen mit der Planung. Bis nach Dortmund gab es
keinen durchgehend Zug mit Fahrradbeförderung, ausserdem wollten wir
uns das Großstadtchaos ersparen und da keiner von uns je im Münsterland
gewesen ist und Münster als besonders radfahrfreundlich galt, beschlossen
wir, daselbst die Tour zu beginnen.
Weitere Handicaps war die Sonnenfinsternis am 11.8.1999, und mein Arbeitgeber,
der mich zwang, meinen Urlaub um mehr als eine Woche zu verschieben. Das
hatte einerseits den Vorteil, dass wir die Sonnenfinsternis voll mitbekamen
(Ettlingen lag im Kernschatten und wir hatten auch noch ganz passables
Wetter), andererseits war Ende August oft das Wetter im Emsland ziemlich
instabil.
16.08.99 Fahrt mit dem Interregio von Karlsruhe
nach Münster
Die Reservierung für den Interregio hatten wir schon vor einiger Zeit
gemacht, um sicher zu sein, dass wir einen Platz bekamen.1999 gab es ein
"Sommer-Spezial" der Bahn, d.h. eine Fahrkarte für den Interregio
für zwei Erwachsene und alle zur Familie gehörenden Kinder für
109 DM (wobei Kinder unter 12 Jahre gemeint waren). Da mein Sohn Michael
schon über 12 war, meine Tochter Laura aber noch 11 und meine Frau
nicht mitfuhr (s.o), waren mein Sohn und ich die Erwachsenen, meine Tochter
das Kind. Die obligatorische Sitzplatzreservierung kostete 10 DM, die Fahrräder
pro Stück 12 DM, die Fahrkarte 109 DM, so dass wir für 155 DM
bis nach Münster und für den gleichen Preis von Emden wieder
zurück fahren konnten.
Am Morgen des 16.8. war es regnerisch in Karlsruhe und wir waren etwas
enttäuscht, da wir eigentlich nicht gewohnt waren, bei schlechtem
Wetter zu Radeln und von unserem Gepäck her auch nicht unbedingt darauf
vorbereitet waren. Meine Frau brachte das Gepäck zum Bahnhof und wir
bezogen die angewiesenen Plätze im Interregio, der in Karlsruhe eingesetzt
wurde.
Die Fahrt war sehr angenehm, durch das Rheintal, an der Lorelei vorbei,
durch Köln bis nach Düsseldorf. Dort stiegen viele Leute ein,
aber glücklicherweise leerte sich der Zug in Oberhausen wieder. Das
Fahrradabteil jedoch war total voll, ein Radler stellte sein Fahrrad einfach
in den Gang und setzte sich daneben auf einen Notsitz.
Wir hatten etwa 60 kg Gepäck dabei (Schlafsäcke, Zelte, Iso-Matten
und andere Campingutensilien, normale Satteltaschen, Lenkertaschen usw.),
das sich auf viele unterschiedliche Gepäckstücke verteilte, die
wir teilweise unter den Fahrrädern, teilweise im Gepäckfach verstaut
hatten.
Da der Zug laut Fahrplan nur etwa 2 Minuten Aufenthalt in Münster
hatte, war das Aussteigen entsprechend hektisch, zumal wir nicht die Einzigen
waren. Andere wollten noch Anschlusszüge erreichen, die an einem anderen
Bahnsteig auf unseren Zug warteten, denn wir hatten etwa 10 Minuten Verspätung.
Endlich waren wir draussen, der Schaffner pfiff und der Zug fuhr weiter
(vermutlich hatte er jetzt noch mehr Verspätung.)
Da waren wir: Das Gepäck lag verstreut auf dem Bahnsteig, wir suchten
einen Kofferkuli, mit dem wir es bis zur Treppe transportieren konnten.
Es gab keinen Fahrstuhl, so dass wir alles nach unten tragen mussten und
dann beluden wir zum ersten Mal die Fahrräder.
Das Fahren mit Gepäck war ungewohnt und als wir aus dem Bahnhof
herauskamen dauerte es einige Zeit bis wir uns daran gewöhnt hatten.
Nach einigen Fehlfahrten und Diskussionen mit meinem Sohn, der wegen seiner
Ortlieb-Lenkertasche zum Kartenleser ernannt wurde, fanden wir auch den
Weg zum Jugendgästehaus am Aasee. Als ich mich an der Rezeption anstellte,
ging zwischenzeitlich ein gewaltiger Regenschauer auf unsere draussen geparkten
Fahrräder herunter, so dass zum ersten Mal das gesamte Gepäck
nass wurde. Nicht alle unserer Packsäcke waren wasserdicht, so dass
unsere Schlafsäcke etwas feucht wurden.
Trotzdem ließen wir uns den Spaß nicht verderben, bezogen
unser Zimmer und machten einen ersten Ausflug in die Stadt. Beim Verkehrsamt
bekamen wir einen Stadtplan, so dass wir uns etwas orientieren konnten.
In allen Merkblättern und Reiseführern ist vermerkt, dass
Münster die radfahrfreundlichste Stadt Deutschlands ist. Schon frühzeitig
begann man Radwege anzulegen und den Radfahrern Vorfahrt im Innenstadtbereich
einzuräumen. Münster ist die drittgrößte deutsche
Universitätsstadt und täglich sind etwa 100 000 Menschen mit
dem Fahrrad unterwegs (nicht nur Studenten).
Zwei weitere Punkte über Münster fand ich bemerkenswert:
Münster war Hansestadt und profitierte in früherer Zeit vom Handel
mit den Küstenstädten, entsprechend viele prunkvolle Kirchen
sind vorhanden, wenn auch ein großer Teil der Stadt im Krieg zerstört
wurde. Der zweite Punkt war der westfälische Friede, der 1648 in Münster
unterzeichnet wurde und den 30-jährigen Krieg beendete. Der
Friedenssaal im im alten Stil wiederaufgebauten Rathaus konnte besichtigt
werden.
Dann gab es da noch die Wiedertäufer, eine ziemlich radikale protestantische
Splittergruppe, an die an der Kirche St. Lamberti in Form von drei Käfigen
erinnert wurde.
Nach dem Abendessen im Jugendgästehaus machten wir noch einen Spaziergang
am Aasee.
17.08.99 Münster
Nach dem Frühstück erkundeten wir etwas die Stadt. Wir fuhren
zum Schloss, in dem ein Teil der Universität untergebracht war und
besuchten den botanischen Garten im Schlosspark, der uns sehr gut gefiehl.
Nachmittags fuhren wir mit dem Schiff über den Aasee zum Allwetterzoo.
Im Eintrittspreis inklusiv war auch der Besuch des Delfinariums. Das Boot
brauchte für die Strecke etwa eine halbe Stunde. Das Schiff fuhr so
langsam, dass der Fährmann während der Fahrt gemütlich Zeitung
lesen und telefonieren konnte.
Abends wollten wir noch in den Dom, aber der Bischof hatte wohl schon
Feierabend, denn der Dom war abgeschlossen. Dafür genehmigte ich mir
noch ein Bier in einem Biergarten am Pulverturm.
Morgen würde der anstrengende Teil des Urlaubs beginnen.
18.08.99 Von Münster nach Ibbenbüren
(ca. 50 km)
Nach dem Frühstück im Jugendgästehaus schleppten wir unser
Gepäck in den Hof und beluden die Fahrräder. Wir waren gerade
fertig, als der erste Regenschauer niederging, den wir noch abwarteten,
so dass sich unsere Abfahrt etwas verzögerte. Aber dann ging es los:
Wir suchten den Weg zum Dortmund-Ems-Kanal, der in unserer Karte verzeichnet
war und gelangten nach etwa einer Stunde auf den Uferpfad. Leider war der
Radweg an dieser Stelle noch im Bau, der Weg absolut miserabel und teilweise
durch Brückenbaustellen unpassierbar. Ab und zu mussten wir kleine
Umwege in Kauf nehmen, um den Baustellen auszuweichen. Der beschilderte
Weg führte mal links mal rechts auf Nebenstrassen dahin, manchmal
musste man auch auf Radwegen an einer Bundesstrasse langfahren.
Gegen Mittag fuhren wir nach Ladbergen und versorgten uns in einem
Supermarkt mit Essen und rasteten unter einem Vordach. Dort mussten wir
dann wieder einen Regenschauer abwarten, vormittags war das Wetter eigentlich
ganz positiv, es gab etwas Sonne, meistens Wolken, es war nicht zu heiss,
alles in allem angenehm zum Radfahren.
Der Nachmittag war dann zunehmend schlechter: Einen weiteren Wolkenbruch
warteten wir unter einer Brücke ab, leider nicht lange genug, denn
als wir weiterfuhren, wurden wir von einem weiteren Regenschauer überrascht,
unglücklicherweise auf einem Radweg neben einer vielbefahrenen Bundesstrasse,
wo uns die Lastwagen noch zusätzlich nassspritzten. Die Stimmung bei
meinen Kindern war auf dem Nullpunkt. Ein weiterer Wolkenbruch ging auf
uns nieder, als wir an dem in der Karte verzeichneten Campingplatz ankamen,
der dort gar nicht existierte. Es blieb uns nichts anderes übrig,
als umzukehren und einen anderen Campingplatz anzusteuern, den es dann
glücklicherweise auch gab. Zu jedem Zeltplatz gehörte ein eigenes
Sanitärhäuschen mit Toilette, Dusche, Waschbecken und einem kleinen
elektrischen Heizlüfter. Als wir das Zelt aufbauten, wurde auch das
Wetter besser, ein wenig schaute die Sonne heraus und wir hatten neue Hoffnung,
die Stimmung stieg allmählich wieder. Wir machten es uns gemütlich,
hatten gerade unser gekochtes Abendessen verspeist, als sich der Himmel
wieder verfinsterte und Donnergrollen ein Gewitter ankündigte. Wir
hofften, das es vorbei ziehen würde, hatten aber kein Glück:
Sturmböen rissen unser Vorzelt nieder, so dass wir nur noch alles
mit einigen Häringen sichern konnten und uns dann ins Innere des Zelts
zurückzogen. Bis dahin waren wir aber schon durch und durch nass.
An diesem Tag waren wir alle ziemlich gestresst. Morgens um halb sechs
hörte ich ein verdächtiges Rascheln in unserem Vorzelt, da noch
alles Dunkel war, tastete ich in Richtung des Geräuschs und berührte
etwas Stacheliges.
"Huch, was ist denn das!" rief ich aus und meine Kinder waren sofort
hellwach. Es war ein großer Igel, der sich in unserer Abfalltüte
über die Reste unseres Früchtetees hergemacht hatte. Als wir
ihn anleuchteten, zitterte er vor Angst. Ich zog die Abfalltüte vorsichtig
ins Freie, damit sich unser Besucher ohne Probleme zurückziehen konnte
und dann marschierte er bedächtig in die Dunkelheit.
19.08.99 Ibbenbüren - Lingen (ca. 70 km)
Gemütlich bauten wir am Morgen das Zelt ab und waren etwa um 10 Uhr
wieder auf der Kanalroute. Der Campingplatzwart ließ es sich nicht
nehmen uns noch eine alternative Route zum Kanal auszudrucken, er besaß
ein schönes Radtourenprogramm auf seinem PC.
Irgendwo kamen wir an einem für eine Hochzeit geschmückten
Bauernhof vorbei. Aus großen Strohballen hatte man Braut und Bräutigam
nachgestellt, das Eingangstor war geschmückt und im Hof wurde mit
Bildern von Klapperstörchen, Kinderwägen und anderen Utensilien
eine große Kinderschar heraufbeschworen..
Nach einigen Kilometern erreichten wir das "nasse Dreieck", der Ort,
an dem der Mittellandkanal vom Dortmund-Ems-Kanal abzweigte. Auch hier
führte die Route nur selten direkt am Kanal entlang, oft wurde man
über Seitenwege, Wirtschaftswege oder auf Radwegen neben Schnellstrassen
geführt. Das Wetter war ganz ordentlich, manchmal schien wieder ein
wenig die Sonne, mittags machten wir wieder Rast an einem Supermarkt, diesmal
in Rheine. Als wir dann wieder auf unsere Route kamen, ging wieder ein
Regenguß nieder. Leider waren die Bäume, unter die wir uns stellten,
nicht dicht genug, so dass wir wieder einmal völlig durchnässt
wurden. Eigentlich wollten wir schon vor Lingen anhalten, in einer Jugendherberge,
die auf unserer Karte eingezeichnet war. Leider war diese Jugendherberge
nicht für den allgemeinen Publikumsverkehr geöffnet, so dass
wir uns entschlossen, unterwegs in einem Gasthof zu übernachten. Man
empfahl uns ein Hotel in Hanekenfähr, aber als wir dort endlich ankamen,
war das Hotel wohl doch etwas zu nobel für uns. Gegenüber war
ein Campingplatz, aber nach Camping stand es uns eigentlich nach der letzten
Nacht nicht besonders, so dass wir uns entschlossen, nach Lingen in die
Jugendherberge zu fahren. Wir riefen dort an, um unser Kommen anzumelden
und es gab keine Probleme ein Familienzimmer zu bekommen.
Da es für das Abendessen in der Jugendherberge schon zu spät
war, aßen wir in Lingen in der Fußgängerzone an einem
Imbiß etwas und erreichten die Jugendherberge erst gegen 20 Uhr.
Vorher mussten wir in Lingen noch einmal unter einer Brücke einen
Wolkenbruch abwarten. Von da an gelang es uns immer wieder, dem Regen ein
Schnippchen zu schlagen.
Als ich in der JH angerufen hatte, wurde ich bereits vorgewarnt. "Wir
haben zur Zeit viele Jugendgruppen, aber normalerweise klappt das immer
ganz problemlos." Da wir ziemlich müde waren, gingen wir früh
zu Bett. Die Jugendgruppen machten dann noch bis spät in die Nacht
Radau auf dem Gang.
Die Jugendherberge in Lingen gilt als eine der modernsten in Europa,
sie ist ganz neu und besitzt Sonnenkollektoren und andere Einrichtungen
zur Nutzung alternativer Energiequellen.
20.08.99 Lingen - Haren (ca. 42 km)
Da die Stimmung wegen des Regens ziemlich unten war, wollten wir auch die
nächste Nacht in einer Jugendherberge schlafen, bevor wir dann auf
einem Campingplatz eine längere Pause machen wollten, um unsere Wäsche
zu waschen. Meine Frau, mit der wir jeden Abend telefonierten, machte uns
Mut weiterzufahren, denn "das Wetter wird besser". Dieser Spruch wurde
zum Leitmotiv in den nächsten Tagen, wir bekamen ihn von jedem zu
hören, den wir trafen.
Am Morgen in Lingen mussten wir zunächst einiges Organisatorisches
erledigen, Geld holen und Michaels Fahrrad reparieren, denn sein Gepäckträger
hatte sich gelockert. Im Gegensatz zu Münster war man hier sehr streng,
was das Radfahren in der Fußgängerzone anging. Nirgendwo bin
ich so oft angemacht worden wie in Lingen, dabei war das Radfahren bis
11 Uhr erlaubt. (Zugegeben, es war schon kurz nach 11, aber dort ist man
anscheinend sehr kleinlich). Dann ging es wieder an den Dortmund-Ems-Kanal.
Der Radweg war deutlich besser geworden, wir konnten jetzt dem Kanal folgen
und hielten an einigen Schleusen an, wenn sich gerade ein Schiff näherte.
Den ersten Regenschauer warteten wir dann unter Bäumen ab und
den zweiten unter einer Brücke. Wir passierten Meppen. Dort führt
der Radweg über eine Hubbrücke, leider konnten wir sie nicht
in Aktion sehen. Unsere Mittagspause machten wir an einem sehr schönen
Rastplatz direkt neben dem Kanal und der dritte Regenschauer, der schlimmer
war als die ersten beiden, konnten wir bei einer Tasse Kaffee und einem
Stück frischen Pflaumenkuchen in einem Café, die es an jeder
Schleuse gab, abwarten.
Vorher machte ich noch ein Foto vom größten Gemälde
der Welt. Auf einen Kühlturm hatte man eine Weltkarte gemalt, das
Bild war weit in der Landschaft zu sehen.
Im Café trafen wir einen älteren Herrn, der seit neun Tagen
mit dem Fahrrad von Konstanz unterwegs war und heute noch bis Papenburg
wollte (etwa 40 Kilometer).
In der Radkarte waren einige schwierige Wegstücke eingezeichnet,
bei denen unsere Fahrräder total verdreckten.
Zur Jugendherberge in Haren gehörte auch ein Jugendzeltplatz,
eine Feuerstelle, ein grosser, überdachter Grillplatz und ein kleines
Backhaus zum Brotbacken. Sie war schon älter und wurde von einem älteren
Ehepaar geführt, dass schon mehrere Auszeichnungen für die ausgezeichnete
Küche bekommen hat. Wir bekamen ein kleines Dreibettzimmer, konnten
aber unsere Campingausrüstung im Keller auf dem Gang deponieren, so
dass unser Zimmer nicht hoffnungslos überfüllt war.
Unsere Fahrräder waren vom Regen und dem Radweg ziemlich schmutzig,
ebenso unsere Gepäcktaschen, so dass wir die Herbergsmutter fragten,
wo wir unsere Sachen sauber machen konnten. Sie gab uns einen Eimer, mehrere
Lappen und meinte, hinter dem Haus gäbe es eine Wiese und mehrere
Wasserhähne, wo wir uns bedienen könnten. Mein Sohn meinte, besser
hätte es bei seiner Oma auch nicht sein können, er war sehr angetan
von den lieben Herbergseltern und wir begannen, unsere Fahrräder vom
Schmutz zu befreien. Als dann endlich die Gänge wieder alle schaltbar
waren, stellten wir die Räder in den dafür vorgesehenen Schuppen,
denn Radfahren wollte heute abend keiner mehr.
Leider konnten wir die gute Küche nicht ausprobieren, da wir kein
Abendessen gebucht hatten, so dass wir einen Spaziergang in den Ort machten
und uns eine Pizza genehmigten.
Das Zimmer in der Jugendherberge war auf der Hofseite, ebenerdig und
direkt am Fenster führte eine Rampe aus Eisenplatten für Rollstuhlfahrer
herauf. Die Jugendlichen auf dem Zeltplatz machten noch Krach bis um halb
3, donnerten über die eiserne Rampe, so dass diese Nacht ziemlich
unruhig war.
Dafür war das Frühstück um so besser. Es war das beste
Jugendherbergsfrühstück auf unserer Tour.
21.08.99 Haren - Lathen (ca. 26 km)
"Das Wetter wird besser" und tatsächlich, es war der erste Tag ohne
Regen. Das Wochenende wollten wir auf einem Campingplatz in Lathen verbringen,
weil man dort am ehesten die Möglichkeit hat, seine Wäsche zu
waschen.
Da die Etappe nur kurz war, hatte ich Hoffnung, heute nachmittag schon
die Waschmaschine in Gang setzen zu können.
Es war Samstag, also mussten wir heute schon die Verpflegung und Getränke
für Sonntag besorgen. Die Geschäfte auf dem Land haben auch kürzere
Öffnungszeiten als in der Stadt.
Gegen 12:30 Uhr kamen wir in Lathen an. Der Campingplatz, den wir uns
ausgesucht hatten, hatte schon Mittagspause (eigentlich erst ab 13 Uhr,
aber anscheinend war wegen Reichtums schon früher geschlossen). Bis
um 16:30 Uhr (so lange ging die Mittagspause) wollten wir nicht warten,
so dass wir zum 2. Campingplatz auf der anderen Seite der Ems fuhren, dessen
Mittagspause erst um 14 Uhr begann und der wirklich auch noch geöffnet
hatte.
Während wir die Zelte aufbauten, zogen schwarze Wolken heran,
doch wir waren schneller, so dass sich das Wetter es doch noch anders überlegte.
Es tröpfelte ein wenig, aber es gab keinen richtigen Regen. Anschließend
setzten wir die Waschmaschine in Gang, es gab auch einen Wäscheständer,
so dass die Wäsche bereits zum Trocken hing, als der andere Campingplatz
seine Mittagspause gerade eben beendet hatte.
Unser Zeltplatz war schön, direkt an der Ems, so dass wir die
vorbeifahrenden Schiffe beobachten konnten. Dafür waren die sanitären
Einrichtungen etwas weiter weg.
Da die Temperaturen auch etwas nach oben gingen, verbrachten wir einen
schönen Abend auf dem Campingplatz.
Eine Entenfamilie schaute zum Abendessen bei uns vorbei, aber leider
hatten wir nichts, was wir hätten abgeben können.
22.08.99 Lathen, Transrapid
Am nächsten Tag, Sonntag, fuhren wir zur Teststrecke des
Transrapid.
Natürlich war Sonntags alles zu, wir erfuhren aber, dass Mitfahrten
wegen der Erprobung einer neuen Transrapid-Version (TR08) erst im EXPO-Jahr
2000 möglich sein werden. Die letzte Mitfahrt fand am 24. Juli statt.
So fuhren wir dann mit den Fahrrädern einen Teil der Strecke entlang,
bis wir zu einer Weiche kamen, deren Technik uns sehr interessierte. Wir
machten dann auch noch einige Fotos von den unterschiedlichen TR-Versionen
(TR06, TR07 und TR08). Auf dem Heimweg hielten wir an einer Tankstelle
und versorgten uns noch mit Getränken für den Nachmittag und
Abend und anschließend gingen wir in einen Imbiß mit angeschlossenem
Bistro und aßen dort Schnitzel mit guten Bratkartoffeln.
Den Nachmittag verbrachten wir lesend auf dem Campingplatz. Abends kam
noch ein Holländer mit seinem Sohn, auch mit dem Fahrrad, aus Richtung
Papenburg, die morgen wieder zurück nach Groningen in Holland wollten.
23.08.99 Von Lathen nach Leer (Bingum) ca. 68 km
Der Zeltabbau dauerte etwa bis 10:30 Uhr, unsere gewaschenen Kleider waren
soweit trocken, wir konnten also los. In einem Baumarkt kauften wir eine
neue Gaskartusche, da die alte fast leer war und in einem Supermarkt deckten
wir uns mit Getränken ein.
Heute wollten wir nicht der Kanalroute folgen, sondern so weit es ging
an der Transrapidstrecke lang fahren. Das Informationszentrum hatte heute
morgen geöffnet und mein Sohn wollte unbedingt eine Bewerbung für
eine Mitfahrt losschicken, so dass er sich mit dem nötigen Informationsmaterial
versorgte.
Dann fuhren wir einige Kilometer an der Strecke entlang, bis eine Baustelle
kam, die wir nicht umfahren konnten. Auf einer Strasse ging es dann wieder
in Richtung Dortmund-Ems-Kanal. Wir mussten ein kleines Stück einer
Bundesstrasse folgen und erfahrungsgemäß regnete es immer dann,
wenn wir an einer Bundesstrasse waren. Aber diesmal blieb das Wetter stabil,
es war zwar bewölkt, aber es regnete nicht. Deshalb entschlossen wir
uns, noch einmal eine Nacht auf einem Campingplatz zu verbringen. Hinter
der Schleuse Herbrunn änderte sich die Landschaft und der Fluß.
Vorher war das Wasser grün und floß ruhig dahin, danach war
das Wasser grau vom Schlick und es war beeinflusst von den Gezeiten. Das
Ufer war gesäumt von Deichen, die von Schafherden beweidet wurden.
Vorher prägte eher Heidelandschaft das Bild, es gab Mischwälder,
Birken, Kiefern und natürlich Heidekraut. Vor dem Deich war der Wind
auch etwas schärfer, aber der Weg führte größtenteils
im Windschatten entlang. Von der Ems sahen wir dadurch nicht allzuviel.
Am späten Nachmittag kamen wir bei der berühmten Meyer-Werft
in Papenburg vorbei, leider war das neu gebaute Kreuzfahrtschiff schon
fertig und unterwegs in den Weltmeeren, so dass das Becken der Werft ziemlich
einsam und leer war.
In Weener machten wir Halt an einem Supermarkt, wo wir uns noch einmal
Lebensmittel für den Campingplatz einkauften. Den Platz erreichten
wir um kurz vor 18 Uhr, der angeschlossene Supermarkt hatte noch auf, so
dass wir für den nächsten Morgen noch Brötchen bestellen
konnten. Der Campingplatz war schön, aber ganz leer. Es gab Anlegeplätze
für Segelboote, eine Slipanlage und Reparaturmöglichkeiten, so
dass der Platz für Bootfahrer und Segler interessant ist, aber in
Norddeutschland waren keine Ferien mehr. Das Angebot im Supermarkt war
auch auf Dauercamper ausgerichtet, es gab keine Einportionenpacks, nur
grosse Dosen.
Schon beim Einchecken kauften wir uns Münzen für die Dusche,
aber abends hatte niemand mehr Lust dazu. Wir kochten unser Abendessen,
lasen und erzählten. Die Wolkendecke riß auf, es erschienen
die Sterne, die Nacht versprach sehr kalt zu werden.
24.08.99 Von Leer nach Emden (ca. 27 km)
Am nächsten Morgen weckte uns die Sonne zum ersten Mal auf unserer
Reise. Wir duschten und holten unsere Frühstückbrötchen,
die wir mit etwas Schinken und Käse belegten, da sonst nichts anderes
im Supermarkt zu bekommen war. Wir kochten uns unseren letzten Kaffee,
es wurde Zeit, dass die Tour zu Ende ging. Heute stand unsere letzte Etappe
auf dem Programm, von Leer nach Emden. Dazu mußten wir eine kleine
Fähre in Ditzum benutzen. Im Radführer wurde empfohlen, sich
auf dem Verkehrsamt in Leer nach den Verkehrszeiten der Fähre zu erkundigen.
Ich rief also dort an und man sagte mir, dass der Fährmann von 11
Uhr bis 13 Uhr Mittagspause machen würde. Da die Zeit doch schon ziemlich
fortgeschritten war, würden wir die 11 Uhr-Fähre sicher nicht
mehr schaffen, wir hatten also bis 13 Uhr viel Zeit.
Wieder so gegen 10:30 Uhr starteten wir bei strahlender Sonne und Rückenwind.
Wieder ging es hinter dem Deich entlang, der von Schafen beweidet wurde.
Da die Schafe auch frei auf dem Radweg herumlaufen konnten, war er an manchen
Stellen ziemlich verschmutzt vom Kot der Tiere. Der Deich war aufgeteilt
in verschiedene Abschnitte, die durch Gatter voneinander getrennt waren.
Die Gatter konnte man mit dem Fahrrad über eine Passage aus Gitterstäben
umfahren, die Gitter waren für die Beine der Schafe zu weit auseinander,
so dass sie nicht von einem Abschnitt in den nächsten laufen konnten,
aber mit einem Mountainbike bzw. Trekkingfahrrad mit etwas breiterer Bereifung
befahrbar.
Um 12 Uhr kamen wir in Ditzum an und suchten dort die Fähre. Da
die Ems Hochwasser hatte, konnten wir vom Hafen aus übersetzen, bei
Niedrigwasser wäre der Anlegeplatz irgendwo ausserhalb gewesen. Die
Fähre stand bereit, aber der Fährmann machte, wie erwartet, seine
Mittagspause.
In einem kleinen Strassencafe, in dem schon einige Radfahrer vor einem
Stück Kuchen saßen, machten auch wir Rast und verdrückten
zwei Windbeutel und einen sehr guten Pflaumenkuchen und tranken unseren
ersten friesischen Tee. Dort kamen wir mit einer Holländerin ins Gespräch,
die auch mit dem Fahrrad unterwegs war und heute noch bis Dornum wollte.
Sie kam aus Groningen und reiste mit ihrem Mann auf Rennrädern mit
minimalem Gepäck. Dadurch konnte sie natürlich viel schneller
fahren als wir. (Sie war sehr erstaunt über unsere Menge Gepäck).
Um kurz vor 13 Uhr stürmten alle Radfahrer auf die kleine Fähre.
Ein Helfer wies die Leute ein: „Immer rückwärts die Räder
hinstellen, und alle auf die Seite an die Reeling lehnen.“
Zum Schluss wollten noch zwei Autos mitfahren, die nach einer wortgewaltigen
Diskussion auf Plattdeutsch dann auch tatsächlich an Bord konnten.
Die Fähre war jetzt brechend voll.
Endlich kam der Fährmann, kassierte die Passagiere, Fahrräder
und Autos ab und dann ging es los.
Die Überfahrt dauerte etwa 15 Minuten und als wir dort ausstiegen,
sahen wir, dass dort am Anleger 3 Autos und ein Motorrad warteten. Leider
konnten wir das Rangieren nicht mehr abwarten, mich hätte es gewundert,
wenn alle drei Autos mitgekommen wären.
Nachdem wir uns in der Innenstadt zunächst mit Bargeld und Getränken
versorgt hatten, suchten wir die Jugendherberge auf, wo wir unsere Übernachtung
reserviert hatten. Emden hatte eine sehr kleine Jugendherberge, deshalb
gab es dort auch keine Familienzimmer. Man war aber bereit, ein gemischtes
Zimmer für Familien und Paare einzurichten, so dass wir zwar nicht
für uns alleine, aber nicht nach Geschlechtern getrennt untergebracht
waren.
Die Rezeption der Jugendherberge öffnete erst um 17 Uhr, aber ein
Zivi bot uns an, unser Gepäck in einem Raum im Keller zu deponieren,
so dass wir etwas beweglicher waren. Wir entschlossen dann spontan, da
das Wetter sehr schön war, ins benachbarte Freibad zu gehen. Wir suchten
also unsere Schwimmsachen, die natürlich in unserem Gepäck mittlerweile
ganz unten gelandet waren, und zogen los. Das Wasser war beheizt und deshalb
angenehm.
Um 17 Uhr standen wir pünktlich wieder an der Rezeption. Vor uns
war ein holländisches Ehepaar, das auch in unserem Zimmer untergebracht
wurde. Das Zimmer war in einem Nebengebäude, die Duschen befanden
sich im Hauptgebäude, so dass wir eigentlich keine Lust hatten sie
zu benutzen. Wir waren ja im Schwimmbad, so dass Duschen auch nicht unbedingt
nötig war.
Wir hatten uns für das Abendessen angemeldet, es gab Fischstäbchen
mit Pommes Frites, so viel man wollte.
Anschliessend machten wir noch einen kleinen Spaziergang in die Innenstadt
(etwa 1 km, die JH lag an der Kesselschleuse) und kehrten in einer Kneipe
ein, wo wir noch etwas tranken. Wir waren die einzigen Gäste an diesem
Abend und um 22 Uhr lagen wir dann im Bett.
25.08.99 Heimfahrt von Emden nach Karlsruhe
Nach dem Frühstück packten wir zum letzten Mal unsere Fahrräder
und fuhren in die Innenstadt. Wir hatten bis zur Abfahrt unseres Zuges
noch etwas Zeit, deshalb besuchten wir noch „dat Otto-Huus“ und das Bunkermuseum.
Zum Abschluss gab es dann noch einen friesischen Tee (aber nicht original
aus der Porzelankanne, sondern in einem profanen Teeglas) und gegen 13
Uhr standen wir mit unseren Rädern auf dem Bahnsteig.
Pünktlich fuhr der Zug ein, wir verstauten die Räder und das
Gepäck (der Zug hatte 6 Minuten Aufenthalt, den wir voll ausnutzten)
und dann ging es in Richtung Südwesten.
Wie auf der Hinfahrt füllte sich der Zug in Düsseldorf, aber
in Remagen waren dann schon wieder deutlich weniger Leute in unserem Abteil.
Fast pünktlich erreichten wir Karlsruhe, den Endbahnhof des Zuges,
wo meine Frau schon auf uns wartete. Das Fahrradabteil war wieder total
überfüllt, einige Fahrräder standen auch in den Gängen
des nebenan gelegenen Großraumabteils. Nun ging es dann die letzten
Kilometer ohne Gepäck bis nach Hause, wo eine Riesenportion Spagetti
auf uns wartete.
Fazit
In Süddeutschland war natürlich die ganze Zeit schönes Wetter.
Andere Radler, die auf der Rückfahrt in Koblenz zugestiegen waren
und die Moseltour gemacht hatten, sind die ganze Zeit trocken geblieben.
(Vielleicht hätten wir doch die Splügentour machen sollen)
Komfort ist zwar schön, hat aber sein Gewicht. 20 Kilo Gepäck
pro Person ist definitiv zu viel, wobei ich zu Gunsten meiner Kinder etwas
mehr beladen war und noch den Rucksack mit den täglichen Vorräten
tragen musste.
Die Route entlang des Dortmund-Ems-Kanals sollte man mit Vorsicht genießen.
Es gab (zumindest rund um Münster) noch viele Baustellen an Brücken,
so dass man links und rechts durch die Landschaft geführt wurde, aber
dann kann ich auch die 100-Schlösserroute oder die Emslandroute fahren,
was uns unterwegs Radler empfohlen haben.
Und die Kosten? Die Nächte in der Jugendherberge kosteten etwa
90 DM (für 3 Personen), auf dem Campingplatz etwa 30 DM. Für
die 10 Tage kamen wir mit etwa 1500 DM aus, inklusive etwa 300 DM für
die Bahnfahrt.